Gutächtliche Aeusserung des Doctoren-Collegiums der medic. Facultät in Wien über die Organisirung der akademischen Behörden und ein definitives Statut der Wiener Universitat / J. Schneller.

  • Schneller, J.
Date:
[1864?]
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Credit: Gutächtliche Aeusserung des Doctoren-Collegiums der medic. Facultät in Wien über die Organisirung der akademischen Behörden und ein definitives Statut der Wiener Universitat / J. Schneller. Source: Wellcome Collection.

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    dicin wurden in zusammenhängenden Reihen von Vorträgen erschö¬ pfend behandelt, und zehn Jahre schon gibt das Doctoren-Colle- gium ein Journal unter dem Titel: »Oesterreichische Zeitschrift für praktische Heilkunde« heraus, welches ohne alle Subvention von aussen erscheint, und sich eines guten Rufes erfreut. Berücksichtigt man, mit welch geringem Aufwande an Geld¬ mitteln und dann mit welcher Uneigennützigkeit und Bereitwilligkeit von Seite der Mitglieder all das Erwähnte zum Frommen der Wis¬ senschaft geschieht, so wird jeder unbefangen und edel Denkende den Werth des Geleisteten nicht allzu geringe schätzen. Sind jene wissenschaftlichen Bestrebungen vielleicht die der Universität frem¬ den Interessen, welche die Körperschaft vertreten soll, wie man ihr vorhält? Wenn das Collegium nebstdem seine eigenen materiellen In¬ teressen mit Kraft zu wahren bemüht ist, so thut es nur seine Pflicht, und eben nur das, was Andere thun, welche noch dazu einer bevorzugten Stellung sich erfreuen. Uebrigens gibt es ja in Oesterreich auch Universitäten, welche analog den deutschen Universitäten eingerichtet sind und keine Doctoren-Corporation besitzen, ohne dass sie gerade desshalb einen grösseren Ruf geniessen. Durch den innigen Verband der Doctoren mit der Universität kann die Wissenschaft und ihre Lehre, so wie die wirkliche Frei¬ heit der Forschung nur gewinnen, das Historische hat hier also auch die Zweckmässigkeit für sich. Nach dem bereits Entwickelten ist die weitere Frage wohl leicht zu lösen, ob nämlich die theilweise unter anderen Verhält¬ nissen erstatteten älteren Anträge und Berichte des Doetoren-Col- legiums den »seither eingetretenen Aenderungen im ganzen Staats¬ organismus« noch entsprechen? Das ehrfurchtsvoll gefertigte Doctoren-Oollegium glaubt diese Aenderungen im Staatsorganismus in folgenden Puncten zusammen¬ fassen zu können: Grössere gesetzliche Freiheit des Einzelnen und demgemäss grössere Autonomie der Körperschaften, gegen Will¬ kür mehr gesicherter Rechtszustand und geordnete Theilnahme des Volkes an der Gesetzgebung. Die wiederholt ausgesprochenen Wünsche und Anträge des Doctoren-Collegiums stehen aber hiemit nicht im Widerspruche. Die alte Facultät förderte vielmehr, ungeachtet des ihr so vielfältig vor¬ geworfenen zu lebendigen historischen Rechtsbewusstseins schon vor Jahren die Entwickelung freiheitlicher Institutionen im heutigen Sinne des Wortes. Die Körperschaft ist sich treu geblieben und hat den Sinn dafür auch in der letzten drangvollen Periode nie verläugnet. Das Doctoren-Collegium anerkennt mit Dank das ihm in der provisorischen Organisation vom Jahre 1849 zuerkannte Mass von Autonomie. Und obgleich Provisorien einer freudigen Thätigkeit gerade nicht günstig sind, war es stets eitrigst bemüht, den im allerunterthänigsten Vortrage des damaligen Unterrichtsministers an Se. k. k. apostol. Majestät ausgesprochenen Erwartungen be¬ züglich seines Einflusses auf die Universität als Lehranstalt nach Kräften zu entsprechen. Allein das Collegium wollte auch das in den §§. 3 4, 35 und 36 Zuerkannte unverkürzt, und konnte nicht zugeben, dass der von Sr. Majestät dem Kaiser angewiesene ge¬ setzliche Wirkungskreis durch Unterbehörden im Wege einfacher Ordonnanzen zum Nachtheile des Ganzen geschmälert werde. Wenn eine Körperschaft an ihrem stiftbrieflich und durch die Gesetzgebung gewährten Rechte festhält und von ihrer Autonomie im Interesse des öffentlichen Wohles Gebrauch macht, so steht dies sicher nicht im Widerspruche mit den gegenwärtig herrschenden Zuständen der Verfassung. Oder widerspricht dies vielleicht den gegenwärtigen geänderten Verhältnissen im Staatsorganismus, wenn eine Körperschaft, deren Mitglieder durch ihre wissenschaftliche Ausbildung in der Gesellschaft einen hohen Rang einnehmen, und durch das redlich erworbene Diplom der Universität angehören, wenn eine solche Körperschaft, die fortwährend in ihren einzelnen Genossen und als Ganzes mit der Ausbildung und Anwendung der wissenschaftlichen Heilkunde sich beschäftigt, einen entsprechenden Antheil nimmt an der Berathung und Leitung jener Angelegenhei¬ ten, welche die Universität als Lehranstalt betreffen? Ist der Zweck der medicinischen Facultät nicht die tüchtige Anleitung zur Ausübung ärztlicher Praxis? Die Bedürfnisse dersel¬ ben bei Privaten und im öffentlichen Leben kennt wohl der prak¬ tische Arzt und Sanitätsbeamte am besten. Die Befähigung also und somit unter den gegebenen, schon ein halbes Jahrtausend be¬ stehenden Verhältnissen auch die Berechtigung der ärztlichen Cor¬ poration zur Theilnahme an den medicinischen Unterrichtsangele¬ genheiten ist wohl unbestreitbar. Eine Unzahl von Wohlmeinungen, Gutachten und Berichten, die eben so sehr in die Oeffentlichkeil gedrungen, als zur Kenntniss der Behörden gelangt sind, mag als thatsächlicher Beweis hiefür gelten. Wenn daher gleich den Vertretern des Volkes an der allge¬ meinen Gesetzgebung Vertreter der medicinischen Facultätskörper- schaft einen massgebenden Antheil an der Berathung und Besor¬ gung der Angelegenheiten ihrer Facultät zu nehmen wünschen, so steht diese Forderung wohl nicht im Widerspruche mit den jetzt geltenden staatlichen Grundsätzen! Jene Theilnahme fordert aber, um erspriesslich zu sein, eine bestimmte Regelung, ein geordnetes Zusammenwirken; und zu die¬ sem Behufe besonders in Bezug auf die Executive eine gewisse Begrenzung des Wirkungskreises der einzelnen Abtheilungen. Diese Begrenzung des Wirkungskreises bedingt aber keine schroffe Trennung der Faeultät in zwei von einander ganz unab¬ hängige Körper, denn viele Aufgaben sind gemeinsam und gerade die wichtigsten Manifestationen derselben: die Creirung von Doe- toren und die Erstattung von Gutachten mit wissenschaftlicher Au¬ torität, erheischen ein einheitliches Zusammenwirken Aller. Durch die im provisorischen Gesetze vom Jahre 1849 ausgesprochene Spaltung der Facultät in zwei Collegien erhielt die sonst hervor¬ gehobene Auffassung der Universität als einer »Gemeinschaft« gerade nicht den entsprechendsten Ausdruck. Diese Spaltung widerspricht der Absicht des Stifters, wird die Quelle fortwährender Competenzstreitigkeiten und trägt auch gar nicht bei, die Auctorität der Universität als wissenschaftliche In¬ stanz zu erhöhen. Die Erfahrung lehrte auch, dass in allen jenen Fällen, in wel¬ chen Professoren- und Doctoren-Collegium gemeinschaftlich be¬ stimmte Gegenstände berathen und erledigen, das Ergebniss hievon nach aussen hin ein viel grösseres Gewicht hat und weit eher von dem gewünschten Erfolge begleitet wurde, während abgesonderte Verhandlungen häufig nur als schätzbares Material betrachtet, je nach Umständen von Einzelnen nur dazu benützt wurden, durch ein sogenanntes Facultätsgutachten der subjectiven Ansicht eine Stütze zu verleihen. Das Doctoren-Collegium bot auch stets collegial die Hand da¬ zu, wenn es sieh um ein gemeinschaftliches Wirken mit dem Pro- fessoren-Collegium handelte. Aus der eben stattgefundenen Auseinandersetzung, die im Ein¬ klänge steht mit allen vom Doctoren-Collegium abgegebenen Aeus- serungen, wolle das V^nerabile Consistorium entnehmen, dass nach der Auffassung des Doctoren-Collegiums die Wiener Universität eine sti ftungsmä ssige Cor¬ poration ist, welche nur durch ihre stiftbriefmässige Vertretung allein die Befugniss besitzt, sich ein neues Statut zu geben, zu dessen voller Rechtskraft jedoeh die staatliche Genehmigung im Wege der Gesetzge¬ bung erforderlich ist. Entsprechend diesem obersten Grundsätze, so wie um nicht auf eine blosse Negation des Provisoriums seine Aeusserung zu beschränken, erlaubt sieh das Doctoren-Collegium als der Ver¬ treter der früheren medicinischen Facultät, folgende sieben An¬ träge zu stellen, die jedoch in dem einen Anträge gipfeln, näm¬ lich in der Wiederherstellung der Einheit der Facultät und in der Sicherung eines entsprechenden Wirkungs¬ kreises ihrer Mitglieder innerhalb der Universität. *