Copy 1, Volume 1

Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Für Äerzte und Studirende / [G. Valentin].

  • Valentin, G. (Gabriel), 1810-1883.
Date:
1844
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Credit: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Für Äerzte und Studirende / [G. Valentin]. Source: Wellcome Collection.

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    lebenden Körper bedürfen, ſo bedingt dieſe ſcheinbar einfache Unterſu— chungsweiſe häufig Nebenmomente oder erfordert Vorbereitungen, welche leicht von vorn herein Störungen verurſachen oder, indem ſie gleich ei— nem phyſtologiſchen Experimente eingreifen und den Organismus feinen ganz normalen Verhältniſſen entrücken, zu unvollſtändigen oder unrichtigen Reſultaten führen und fogar den Zweck der Unterſuchung gänzlich ver— eiteln können. Wollte ich z. B. in einem durchſichtigen thieriſchen Theile, wie der Schwimmhaut des Froſches, den Capillarkreislauf beobachten, ſo würde ſich mir oft ein unregelmäßiger oder pulſatoriſcher Blutlauf dar— ſtellen, oder es würde ſogar jede Circulation fehlen, ſobald ich in der Ab— ſicht, Alles recht deutlich zu erfaſſen, die Schwimmhaut zu ſehr ausſpannte. Verſuchte ich die Mengen der ausgeathmeten Kohlenſäure und des exſpi— rirten Waſſers dadurch zu beſtimmen, daß ich die ausſtrömende Luft durch Röhren, welche Kalk und Schwefelſäure enthalten, ſtreichen laſſe und ſorgte nicht dafür, daß die Wandungen des Verbindungsrohres erwärmt bleiben, ſo würde ſich Waſſer an dieſem anſetzen. Die durch die Gewichts— zunahme des Schwefelſäurerohres zu beſtimmende Waſſerquantität fiele dann natürlicher Weiſe zu gering aus. Hätte ich zum Zweck, die peri— ſtaltiſche Darmbewegung zu unterſuchen, tödtete daher ein Thier, öffnete unmittelbar darauf deſſen Bauchhöhle und fände, daß der plötzlich ein- wirkende Reiz der atmoſphäriſchen Luft ſehr lebhafte periſtaltiſche Bewe— gungen hervorruft, ſo könnte ich leicht ſchließen, daß die Muskelhaut des Darmes ſtets auf adäquate Reize ſehr heftig reagirt — eine Folgerung, die ſchon durch den geſunden Organismus theilweiſe beſchränkt wird und die ich auch nicht in dieſer Ausdehnung gemacht haben würde, hätte ich bei einem lebenden Thiere die Bauchhöhle geöffnet. Denn dann würde die Luft ſchon eine weniger ſtürmiſche Periſtaltik angeregt haben. Wollte ich einfach beobachten, wie viel Harn innerhalb einer beſtimmten Zeit von einem Thiere abgeſondert wird, öffnete daher deſſen Bauchhöhle, präparirte den Harnleiter frei heraus, trennte ihn in zwei Hälften, befeſtigte an ſein oberes Durchſchnittsende eine Canüle und leitete dieſe durch die wieder zugehefteten Bauchdecken nach außen, ſo würde ich in dem dann tropfen— weiſe abgehenden Urine ein zu geringes Quantum erhalten, weil die Ent— zündung als eine nothwendige Folge der Verwundung, des Eintrittes der athmoſphäriſchen Luft in die Bauchhöhle und des Reizes der Canüle und der dieſe befeſtigenden Ligatur die Abſonderungsmenge verkleinert. Der phyſiologiſche Verſuch, welcher immer auf einem mehr oder minder bedeutenden und meiſt auf einem ſehr gewaltſamen Eingriffe in den Organismus beruht, zwingt entweder einen Theil, in ſeiner eigen— thümlichen Thätigkeitsäußerung unter gewiſſen uns bekannten anregenden Bedingungen hervorzutreten. Oder er verſetzt den Körper durch Zerſtörung einer gewiſſen Parthie deſſelben oder durch Einführung fremdartiger und dem Organismus direct oder indirect ſchädlicher Stoffe in einen krankhaf— ten Zuſtand, deſſen Symptome dann die Baſis für Rückſchlüſſe und für fernere Folgerungen liefern, oder er ergänzt eine Function, die vorher dem Körper auf irgend eine Art entzogen worden iſt, durch eine künſtliche Vor—