Lehrbuch der Nervenkrankheiten : für Ärzte und Studierende / von H. Oppenheim.

Date:
1908
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Credit: Lehrbuch der Nervenkrankheiten : für Ärzte und Studierende / von H. Oppenheim. Source: Wellcome Collection.

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    1663/1696 (page 1613)
    der Lyssa unterscheidet sich der Tetanus besonders durch das Symptom der permanenten Starre. Der hysterische Opisthotonus ist selten mit Trismus verknüpft, dagegen treten die Erscheinungen der Hysterie deutlich zutage. Anatomische Veränderungen, die durch ihre Konstanz eine Bedeutung beanspruchen könnten, sind bisher nicht nachgewiesen worden. Neuritische Prozesse an der verletzten Körperstelle wurden einigemale gefunden und haben zu der Vermutung geführt, daß die Gifte zunächst örtlich auf die Nerven einwirken und dann in deren Bahn zu den Zentralorganen gelangen. Veränderungen an den Ganglienzellen der Vorderhörner des Rückenmarks sind von Beck, Chantemesse- Marinesco und besonders von Goldscheider und Flatau1) mit dem Nissischen Verfahren bei experimentellem Tetanus, und von A. Westphal, Stintzing und Matthes, sowie von Sjövall auch beim Wundtetanus des Menschen nachgewiesen worden. Sie stellen sich bald nach der Einspritzung des Tetanusgiftes ein und lassen sich durch das Antitoxin (s. u.) zurückbringen. Courmont, Doyon und Paviot haben sich gegen die Beweiskraft dieser Untersuchungen ausgesprochen; auch Lund vermißte die Veränderungen in den Vorderhornzellen. Immerhin scheint es berechtigt, anzunehmen, daß das Leiden auf einer toxischen Schädigung der grauen Substanz im verlängerten Mark und Rückenmark beruht, doch spielt in der Erzeugung der Krankheits- erscheinungen auch wohl die direkte Läsion der peripherischen Teile eine Rolle. Die Therapie hat alle Erregungen von dem Kranken fern zu halten. Er soll in einem dunklen, geräuschlosen Zimmer liegen, das Bett darf nicht erschüttert werden, Manipulationen an seinem Körper sind, soweit es angeht, zu vermeiden. Eine kräftige Ernährung ist er- forderlich, die Schlundsonde wird durch eine Zahnlücke oder durch die Nase eingeführt, ev. können auch Nährklystiere angewandt werden. Reichliche Flüssigkeitszufuhr und Anregung der Diaphorese ist empfehlenswert. Die Muskelspannung wird am wirksamsten bekämpft durch Chloralhydrat. Durch fortgesetzte Anwendung dieses Mittels (auch in Verbindung mit Morphium) habe ich in drei der von mir behandelten vier Fälle Heilung eintreten sehen. Man muß es in großen Dosen (Erwachsene erhalten bis zu 3,0 pro dos., 12,0—15,0 pro die) ver- abreichen und den Patienten möglichst in Narkose erhalten. Von Anderen wird das Chloroform vorgezogen. Jaksch lobt das Urethan. Außerdem ist eine Schar von Heilmitteln, unter denen das Amylnitrit, das Extr. Fabae Calabariae und das Curare (Hoffmann) hervorgehoben werden mögen, empfohlen worden. Das letztere- resp. das Curaril ist neuerdings wieder von Bergell-Levy (Therap. d. Geg. 04) in Anwendung gezogen worden. Man injiziere zunächst 2,4 ccm des Präparates. Einen beruhigenden Einfluß haben auch die Brompräparate, wenn sie in großen Dosen genommen werden. Baccelli rühmt die subkutane Anwendung der Karbolsäure, mit der er und Andere Heilung erzielten. Von einer 2—3 pro- zentigen Lösung in sterilisiertem Wasser wird in 2—3 stündlichen x) Fortschr. d. Med. 1897, D. m. W. 1898.