Die angeborene Luxation des Hüftgelenkes / von Max Schede.

Schede, Max, 1844-1902.

Date:: 1900

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Credit: Die angeborene Luxation des Hüftgelenkes / von Max Schede. Source: Wellcome Collection.

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Aus einem ausserordentlich reichen Material von Röntgenbildern angeborener Luxationen des Hüftgelenkes habe ich eine Anzahl ausgesucht, welche charakteristische Formen der ana- tomischen Veränderungen von den häufigsten bis zu den seltensten, von den primären, im frühesten Kindesalter vorkommenden bis zu den späteren sekundären darstellen, die unter dem Einfluss von abnormen Belastungsverhältnissen sich bis zum Pubertätsalter erst allmählich aus jenen entwickeln. Dass die Sammlung eine ganz vollständige sei, kann ich allerdings nicht wagen zu behaupten, — es kann leicht sein, dass noch andere Formen Vorkommen, und jeder Tag kann solche zur Beobachtung gelangen lassen. Doch glaube ich annehmen zu dürfen, dass wenigstens die Richtungen, in welchen sich die pathologischen Veränderungen bewegen, durch die ge- gebenen Abbildungen ziemlich erschöpfend mit Beispielen belegt sind. Ich will hier gleich bemerken, dass ich auf den Versuch verzichtet habe, auch die Veränderungen zur Darstellung zu bringen, die sich an den luxierten Gelenken im höheren Alter abspielen. Sektionsresultate haben uns gelehrt, dass dieselben im wesentlichen in einer zunehmenden Abschleifung von Kopf und Hals bis zu dem fast völligen Verschwinden beider zu bestehen pflegen, während es auf der anderen Seite auch nicht an Beobachtungen fehlt, nach denen bis in ein höheres Lebensalter hinein Kopf und Pfanne ihre Form merkwürdig gut erhalten hatten. Aber die Gelegenheit, solche alten Luxationen zu untersuchen, bietet sich nicht häufig. Die Patienten wissen ja, dass ihr Leiden nicht mehr beseitigt werden kann und suchen immer nur aus besonderen accidentellen Gründen ärztliche Hülfe nach. So habe ich nur wenige Luxationen bei älteren Erwachsenen gesehen. Einmal war es ein schmerzhafter entzündlicher Zustand im luxierten Gelenk, der eine Dame zu mir trieb, zwei andere Male war eine Luxation auf das Foramen ischiadicum entstanden und bei jedem Versuch der unglücklichen Trägerin des Leidens, zu gehen, stellten sieb die heftigsten Ischiasschmerzen ein. Länger fortgesetzte permanente Extension und eine Stützschiene mit Sitzring, die dem luxierten Gelenk die Körperlast abnahm, beseitigten die Schmerzen und stellten eine bescheidene Gehfähigkeit wieder her. Aber auch von diesen wenigen Fällen besitze ich keine Röntgenaufnahmen. Die Damen waren bei ihrer mangelhaften Bewegungsfähigkeit so fett geworden, dass bei den damals noch unvollkommenen Apparaten an das Gewinnen brauchbarer Bilder nicht zu denken war. Zu dem Studium der späteren Umbildungen luxierter Hüftgelenke mit Hülfe von Röntgenstrahlen kann ich also vor der Hand nichts beitragen. Wahr- scheinlich wird dasselbe noch manche interessanten Ergebnisse liefern, wenn auch praktisch therapeutische Gesichtspunkte dabei weniger in Betracht kommen. Die Entstehung der angeborenen Luxation ist bekanntlich der Gegenstand vielfacher theoretischer Erwägungen und anatomischer Unter- suchungen gewesen, um schliesslich ebenso dunkel und unaufgeklärt zu bleiben, wie sie es jemals war. Bald wurde das Leiden als eine Hemmungsmissbildung aufgefasst, bald sollten Raum- beengungen im Uterus an seiner Entstehung die Schuld tragen. Eine Zeit lang schien die Vermutung Dollingers, dass eine frühzeitige Verknöcherung des Y-förmigen Epiphysenknorpels ein Zurückbleiben der Pfanne im Wachstum bedinge, die dann für den weiter wachsenden Kopf notwendig bald zu klein werde, so plausibel, dass sie vielfach ganz unverdienten Glauben fand, und endlich glaubte Grawitz in einer ungenügenden Knochenproduktion der Knorpelfuge den Grund gefunden zu haben. Nachdem in den Fortschritten auf dem Gebiet der Röntgen strahlen erst vor kurzem (Bd. I, p. 214) eine ausführliche Besprechung dieser Fragen durch Jul. Wolff stattgefunden hat, kann ich um so eher auf eine solche verzichten, als ich mich mit dem ge- nannten Autor in vollkommenster Übereinstimmung darüber befinde, dass keine der genannten Theorieen sich als stichhaltig erwiesen hat und dass wir genötigt sind, mit Ammon eine von Anfang an falsche Anlage aller das Gelenk konstituierenden Teile, ein Vitium primae formationis anzunehmen, über dessen Wesen und Ursache wir uns vorläufig noch keine Vorstellung zu machen im stände sind. Die Röntgenphotographie hat unsere Vorstellungen in dieser Hinsicht insofern be- richtigen helfen, als sie die völlige Haltlosigkeit der Dollingerschen Hypothese ins hellste Licht gestellt hat. Eine so frühzeitige Verknöcherung der Epiphysenlinie, dass das dadurch bedingte Kleinbleiben der Pfanne einen Einfluss auf die Entstehung der Luxation haben könnte,