Milzbrand und Rauschbrand / bearbeitet von Wilhelm Koch.

  • Koch, Wilhelm.
Date:
1886
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Credit: Milzbrand und Rauschbrand / bearbeitet von Wilhelm Koch. Source: Wellcome Collection.

    181/192 (page 151)
    von ihm berichtet haben. Einen Theil dieser Ansichten hat Jubin nach der Zeit ihrer Entstehung geordnet und besprochen. Kämen ihnen merkbare Eigenthümlichkeiten zu, so wären es höchstens die auf chemischen Argumenten fussenden Erklärungsversuche; insonderheit sollte an die besondere Art der Verletzung — man dachte immer an die Zertrümmerungen, Zermalmungen, Gefässzerreissungen und Blutungen — auch eine für das Nervensystem ganz besonders giftige Art rein chemischer Gewebszersetzung sich anschliessen. Einen Spaltpilz als Erreger der Gangräne foudroyante scheint zuerst Bottini [28] vermuthet zu haben. Mo liiere, dem ich diese Notiz entnehme, tritt für Bottini ein, behauptet auch den schuldigen Parasiten wohl 20mal gesehen zu haben, beschreibt aber seine Eigen- thümlichkeiten nicht, sagt auch nicht, was Bottini darüber weiss, sondern theilt nur mit, dass Chauveau und Arloing mit dem gefähr- lichen Studium des noch unbekannten Organismus sich beschäftigen. Endlich hat Rosenbach [44] die Microorganismen bei ^pro- gressivem gangränösem Emphysem'' untersuchen können. In der knisternden, auf Deckgläschen ausgestrichenen Muskelpulpe lagen un- zählige charakteristische Organismen, längere und kürzere Stäbe von ziemlicher Dicke. Häufig sass an dem einen Ende der kürzeren eine grosse, glänzende, sich nicht färbende Spore. Erst wenn man danach suchte, konnte man wohl einmal einen vereinzelten Coccus antreffen. Alle Versuche der Cultur blieben erfolglos. Mir selbst bot sich kurz vor Abschluss dieses Manuscriptes Ge- legenheit, einem jungen Menschen, bei welchem die Gangrän von einer Kopfwunde aus über den Hals, die Brust, den Rücken und über die rechte Bauchseite gezogen war, blutige Oedemflüssigkeit und Muskelbindegewebe der Brust und der rechten Schläfe 4 Stunden nach dem Tode zu entnehmen. In einem Tropfen des Oedems bewegten sich unzählige Bacillen kürzeren Schlages mit ausserordentlicher Lebhaftigkeit. Nach der Färbung stimmten sie bis ins kleinste Detail mit dem Bacillus des thierischen Rauschbrandes überein. Auch von ihrem Wachsthum auf Kartoffeln gilt das; endlich erzeugten sie, Thieren unter die Haut gegeben, den Rauschbrand. Sicher ist also bei der Gangrene foudroyante des Menschen derselbe Spaltpilz vorhanden und thätig, wel- cher den Rauschbrand der Thiere bedingt. Herr Rosen- bach hat diesen Organismus sehr wahrscheinlich ebenfalls gesehen, nur entging ihm eine Haupteigenthümlichkeit — das Vermögen des Spaltpilzes mit dem eigenen Protoplasma in Flüssigkeiten lebhafteste Bewegungen zu vollführen, weil der Muskelbrei auf den Deckgläs- chen eingetrocknet war. Neben dem Rauschbrandbacillus fand ich aber auch den Koch- schen Bacillus des malignen Oedems. Er konnte sehr wohl erst nach dem Tode eingewandert sein, ebenso aber von der Kopfwunde aus schon bei Lebzeiten gemeinsam mit dem Rauschbrandbacillus in den Geweben sich verbreitet haben. Der Streit hierüber scheint mir müssig. Sollte nämlich bei späteren Untersuchungen die letzte Ver- muthung sich wiederholt bestätigen, so brächte sie zunächst kein Ar- gument gegen die Bedeutung des Rauschbrandbacillus bei der Gan-