Die Epilepsie / von Otto Binswanger.

  • Binswanger, Otto, 1852-1929.
Date:
1899
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Credit: Die Epilepsie / von Otto Binswanger. Source: Wellcome Collection.

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    Wir haben vorstehend die Auraerscheinungen nach bestimmten Ge- sichtspunkten zu gruppiren versucht; um irrthümlichen Auffassungen vor- zubeugen, machen wir darauf aufmerksam, dass die mannigfaltigsten Com- binationen nicht nur bei verschiedenen Patienten, sondern auch bei den verschiedenen Anfällen eines Patienten vorkommen können. Es gilt diese Bemerkung hauptsächlich für die Aura der genuinen Epilepsie. Als Beispiel möchte ich nur einen Fall anführen, in welchem fast regelmässig vor den Attaquen ein stechender Schmerz um den Nabel und im Leibe verbunden mit Kollern und krampfartigen Bewegungen der Gedärme auftrat. Die Kranke krümmte sich förmlich vor Schmerz und rieb mit beiden Händen das Abdomen. Dann überfiel den Körper ein Frostschauer mit Gänsehaut, und die Bewusstlosigkeit trat ein. Hier haben wir also eine viscerale (sensible und motorische) Aura mit einer vasomotorischen verbunden. Die geschilderten Aurasymptome können, wie schon erwähnt, natürlich nicht nur die voll entwickelten typischen Anfälle einleiten, sondern in gleichem, ja eher erhöhtem Maasse alle anderen Arten des epileptischen Insults. Im Anschluss hieran muss ausdrücklich betont werden, dass sowohl die ent- fernteren Vorboten als auch die eigentliche Aura durchaus nicht jedesmal mit absoluter Sicherheit die Entwickelung eines Anfalls signalisiren, sie können für sich allein bestehen und repräsentiren dann die leichtesten und örtlich begrenztesten centralen Entladungsvorgänge. Ist die Aura protrahirter, d. h. mehr als nur Secunden dauernd, so gelingt es gelegentlich, wenn auch selten, die weitere Entwickelung des Anfalls durch geeignete Gegen- maassregeln zu coupiren. Am häufigsten ist dies bei der Reflexepilepsie beobachtet, bei welcher eine Extremitätenaura (motorisch und sensibel), dem verletzten peripherischen Nervengebiet entsprechend, sich regelmässig einstellt. Hier kann es gelingen, durch Umschnürung des betreffenden Gliedes (z. B. mit dem Esmarch'schen Schlauch) oder durch gewaltsame Streckung der krampfhaft gebeugten Gliederabschnitte (z. B. Finger oder Zehen) die Entwickelung des Anfalls zu hemmen. Nothnagel bemerkt hier mit Recht, dass aus diesen vereinzelten Vorkommnissen sich offenbar der absurde Volksglaube von dem Vortheil des Daumenaufbrechens im Anfall selbst entwickelt hat. Dass aber auch anders geartete Fälle von Epilepsie, bei welchen eine reflectorische Auslösung der Anfälle durch bestimmte innere Eeize vorliegt, in ähnlicher Weise unterbrochen werden können, lehrt eine Reihe von Beobachtungen. Hasse berichtet, dass ein Kranker, dem jedes- mal vor dem Anfall der Kopf gewaltsam nach hinten gezogen wurde, durch starkes Anstemmen von Kopf und Schultern in der Ecke eines Zimmers den Ausbruch verhüten konnte. Bei dem Kranken Pick's wurden die Krämpfe durch Reizung des ursprünglich von Spasmen ergriffenen Gliedes coupirt. Man wird bei diesen