Die Epilepsie / von Otto Binswanger.

  • Binswanger, Otto, 1852-1929.
Date:
1899
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Credit: Die Epilepsie / von Otto Binswanger. Source: Wellcome Collection.

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    zu gebrauchen, streit- und zanksüchtig, zerstört in seinen Zornausbrüchen Alles, was ihm in die Hände kommt, bedroht seine Angehörigen mit dem Messer, hat Neigung, Feuer anzulegen. Er wird deshalb der Klinik überwiesen. Status praesens bei der Aufnahme: Kleiner, schlecht genährter Knabe (147 cm gross, 63 Pfund Körpergewicht) mit kindlichem Habitus. Geringe rechtsseitige Sehädelstenose, supraalveolare Prognathie, Schädelumfang 51 '/2 cm, Länge 17 cm, Breite 15 cm. Leichte Missbildungen des äusseren Ohres (links quere Knorpelbrücke vom Helix zum Crus sup. anthelicis), Zähne etwas schief gestellt, ihr Eand zackig, Mandibulardrüsen namentlich rechts stark ge- schwollen, ebenso die Inguinaldrüsen, rechte Gesichtshälfte röther als die linke, Palmae und Plantae ohne Narben, Leberdämpfung erheblich vergrössert. Aus dem Nervenstatus ist hervorzuheben: Pupillen mittelweit, gleich, linke etwas verzogen, Lichtreaction links etwas weniger ausgiebig als rechts, Convergenz- reactionen intact, Augenbewegungen frei, Facialisinnervationen links leicht überwiegend, Sehnenphänomene gesteigert, Hautreflexe normal, Berührungs- und Schmerzempfindlichkeit bei Stichen allenthalben erhalten, Halswirbel und interscapulare Dorsalwirbel, sowie sämmtliche Intercostalräume und beide Iliacal- punkte stark druckempfindlich, etwas weniger die Austrittsstellen der Gesichts- nerven, Kopfpercussion nicht schmerzhaft. Gesichtsausdruck blöde, Sprache langsam, schwerfällig, undeutlich. Gibt seine Personalien leidlich richtig an, einfachste Rechenaufgaben löst er falsch, z. B. 2X2 = 6. Gedruckte und geschriebene Schrift liest er rasch und richtig, aber ohne eigentliches Verständniss. Schreibt seinen Namen richtig, zum Dictat oder Abschreiben ist er völlig unfähig. Die Aufmerksamkeit des Kranken wird durch Sinneseindrücke fortwährend abgelenkt, ein Groschen wird richtig er- kannt, ein Thaler nicht. „Wie viel Pfennig hat ein Groschen? — .,20 Pfennige. Sein Gedächtniss ist tief geschädigt, weiss kein Gebet auswendig, behauptet, dass alle seine Geschwister gestorben seien, hingegen weiss er den Namen seines früheren Lehrers. Patient ist meist motorisch unruhig, wiegt sich mit dem Oberkörper hin und her, läuft unruhig im Zimmer umher, betastet alle Gegenstände. Schlaf ist gut. 15. August. Die Hauptfarben bezeichnet der Patient richtig, vermag sich in seiner Umgebung nicht zu orientiren, redet alle Leute mit seinem eignen Namen an, ist oft ungezogen, widerspenstig. Innerhalb vier Wochen werden 43 Anfälle beobachtet. Die Anfälle zeigen unter sich fast photograpbische Aehnlichkeit: 1—2 initiale Schreie und Zusammenstürzen, völlige Bewusstlosigkeit. Die motorischen Eeiz- erscheinungen sind fast ausschliesslich tonischer Art, erst tonische Hebung des rechten Arms mit leicht flectirtem Ellbogen und geballter Faust, dann tonische Streckung beider Beine, tonische Flexion des linken Arms, Kopf und Augen tonisch bald nach links, bald nach rechts gedreht; beide Faciales, rechts über- wiegend, tonisch verzerrt. Beim Nachlassen des Tonus vereinzelte klonische ruckartige Stösse in den grossen Gelenken. Einnässen häufig, Zungenbiss nicht beobachtet. Dauer des Anfalls circa 1'/2 Minuten, nachher 1/s—l1/2stündiger Schlaf. In den folgenden Monaten bleibt die Zahl der Anfälle annähernd dieselbe, auch der Typus der Anfälle ändert sich nicht. Auch intellectuell keine wesent- liche Veränderung. Am 3. Juli 1892 wird er ungeteilt in die Familienpflege entlassen. Nach wiederholten eindringlichen Unterredungen mit dem V ater gestand derselbe, dass er sich etwa ein Jahr vor seiner Verheiratung