Volume 2

Klinische und anatomische Beiträge zur Pathologie des Gehirns / von Salomon Eberhard Henschen.

Henschen, S. E. (Salomon Eberhard), 1847-1930.

Date:: 1890-

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Credit: Klinische und anatomische Beiträge zur Pathologie des Gehirns / von Salomon Eberhard Henschen. Source: Wellcome Collection.

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zeichnet. Diese Formen von Hemianopsie lassen sich durch die von mir angenommene Lagerung der Fasern im Chiasma gut erklären. Wenn die pathologische Läsion das Chiasma von unten oder oben in horizontaler Richtung trifft, so muss dadurch eine Hemianopsia superior oder inferior entstehen. (Vgl. mein Schema über das Chiasma.) Bisher sind wenig- stens etwa 15 Fälle von derartigen Hemianopsien veröffen- tlicht. Die meisten waren nur klinische Fälle; und eine Aus- einandersetzung der Aetiologie und Lokalisation der patholo- gischen Läsionen entbehrt deshalb der sicheren Grundlage der Autopsie. Doch lässt sich so viel betreffs der Hemian- opsia horizontalis aussagen, dass die Ursache sowohl retinal wie intrakraniell sein kann. A. Retinale Fälle. Schweigger]) fand in einem Falle von beiderseitiger Ein- schränkung des oberen Gesichtsfeldes Netzhautblutungen und deren Folgen. In einem von Little'2) mitgeteilten Falle bestand eine vollständige horizontale Hemianopsie am linken Auge; die Grenze verlief ziemlich horizontal etwas unter dem Fixirpunkte. Sehschärfe war beiderseits normal. Links war die obere Pa- pillenhälfte sehr blass und gefässarm. Hier war nach dem Verf. wahrscheinlich eine partielle Embolie der Retinalgefässe vorhanden. K?tapp'i) fand in einem Falle von Hemianopsia inferior als Ursache eine Entzündung, in einem anderen eine Atro- phie des Sehnerven. In einem Falle von Williams4-) (1890) liegt der Hemia- nopsie, welche sich rechts als inferior und links als superior herausstellte, eine Neuroretinitis zu Grunde. Retinale oder neuritische Processe verschiedener Art können also Hemianopsia horizontalis hervorrufen. B. Chiasma-Fälle. In anderen Fällen ist die Läsion am Chiasma lokalisirt. 1872 teilte Mauthner5) einen solchen Fall mit. Ein 24-jähr. Mann litt nach einem vorübergehenden In- sulte an einer Hemianopsia superior (bei vollständig erhaltener Sehschärfe). Am rechten Auge fehlte der äussere obere Qua- drant fast vollständig bis zur Horizontalen; links reichte der De- fekt nicht so weit. Später bekam er wiederholt epileptische Anfälle; die Gesichtsfelder nach oben zeigten keine Anomalie. Eines Morgens, 7 Jahre nach dem Auftreten der Hemianopsie, fand man den Pat. tot im Bette. Das Resultat der Autopsie war ein negatives, obschon der Fall als Geschwulst imponirte. (Mauthner a. O. S. 444.) 1) Gräfes Archiv Bd. XXII. 3, 1876. S. 312. (Nach Mauthner.) 2) Ophth. Revue. Vol. I. Mai 1882. (Hirschb. Centralbl. f. A. 1882. S. 305.) 3) Mauthner, Gehirn und Auge. S. 404. 4) Lancet. Nov. 1890. S. 1164. Ophth. Review. J890. S. 368. 5) Schön soll einen ähnlichen Fall beobachtet haben. Sicherer festgestellt ist der von Riissel1) im Jahre 1873 beschriebene Fall, wo bei der Sektion eine Geschwulstbildung der Knochen an der Basis Cranii gefunden wurde. Der Pat. hatte an Lähmung der Augenmuskeln und Hemianopsie nach oben am rechten Auge gelitten, worauf gänzliche Er- blindung des rechten und schliesslich auch des linken Auges erfolgte. An der Basis Cranii müssen wir auch wahrscheinlich die Läsion in Andersons'1') Falle lokalisiren, wo ein symmetrischer Defekt in der unteren Hälfte beider Gesichtsfelder neben rechtsseitiger Hemiplegie gefunden wurde. Ein 28-jähr. Mann in Australien hatte 1878 Fieberanfälle ge- habt; im Nov. 1882 wieder Anfälle und bekam dann einen Schlag- anfall. Sehstörung, die allmählich abnahm. Im Okt. 1884 bestand geringe Schwäche der rechten Extremitäten; rechtsseitige Hemian- ästhesie, S = 20/ioo, im Gesichtsfelde fehlte beiderseits der untere- innere Quadrant fast völlig und der untere-äussere zu 2/s. Pa- pille bleich, excavirt; weisse Streifen längs der Blutgefässe. Die Hemiparesis dextra, mit Hemichorea consecutiva und Hemianästhesie deutete auf eine Affektion des hinteren Teiles der linken inneren Kapsel. Die Sehstörung kann nach dem Verf. nicht erklärt werden, dürfte jedoch durch eine auf den oberen Abschnitt der beiden Tractus übergreifende Läsion hervorgerufen worden sein, die den linken Pes zugleich betroffen hatte. C. Hemisphären-Fälle. Weiter dürfte eine Hemianopsia horizontalis durch sym- metrische Läsionen der beiden Hemisphären verursacht wer- den können. Bis jetzt scheint kein durch Autopsie konstatirter Fall in der Literatur aufzufinden zu sein. In einem Falle von Wiethe konnte die horizontale He- mianopsie durch die Sektion nicht genügend erklärt werden. Fall Wiethe. Archiv f. Augenheilkunde von Knapp und Schweigger 1884. S. 387. Anamnese. 54-jähr. Mann bis vor zwei Jahren gesund. Sehvermögen war zeitlebens ein schlechtes gewesen. Lues negirt. Febr. 1881 sei er von einer Leiter rücklings aufs Hinterhaupt gestürtzt und war bewusstlos. Keine Lähmung oder Erbre- chen. Ostern 1881 Apoplexie und Hemiplegie links, welche zu- rückging. 26. Juni während der Arbeit »umflorte sich plötzlich sein Gesicht, und innerhalb i1/2 Stunden erblindete er total». Status praesens am 2 7:sten Juni 1881. Psyche und Sprache: Antworten korrekt. Augen: Blick nach oben gerichtet, starr, unbeweglich. Lider weitgeöffnet. Pupillen erweitert. Augenachsen nahezu parallel. Augenhintergrund normal. Sehfeld: blind. Sinne: Geschmack links vermindert. Anosmie. Gehör normal. Motilität: normal ausser einer linksseitigen Parese der Zunge, des Mundes und des Auges. 1) Mauthner a. O. S. 403. 2) Ophth. Review. Aug. 1885. Hirschb. Centralbl. f. A.. 1885. S. 345.