Volume 1

Handbuch der Unfallerkrankungen einschliesslich der Invalidenbegutachtung / bearbeitet von C. Thiem.

Date:: 1909-1910

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Credit: Handbuch der Unfallerkrankungen einschliesslich der Invalidenbegutachtung / bearbeitet von C. Thiem. Source: Wellcome Collection.

757/808 (page 703)

Die Tierversuche von U t h h o f f und S c h ö 1 e r sowie M e i ß n e r, bei denen jenem Umstand aufs sorgfältigste Rechnung getragen wurde, haben aber unzweifelhaft die Mitwirkung einer t r o p h i s c h e n l’r- sache für die Erkrankung erwiesen. Auch ist bei einem von Mikulicz wegen Neuralgie operierten Fall, bei dem ebenfalls alle Vorsichtsmaßregeln zum Schutz der Hornhaut getroffen waren, von U t h h o f f eine echte neuroparalytische Keratitis festgestellt worden. Der Umstand, daß dabei offenbar Erscheinungen von Lähmung der Sympathikuszweige vor- handen waren, gab ihm seinerzeit Veranlassung zu der Bemerkung, daß möglicherweise in einer gleichzeitigen Störung der sensibeln und sympathischen Fasern die Ursache für die neuroparalytische Hornhaut- erkrankung liege. Eine solche Möglichkeit ist bei den schweren Traumen, die überhaupt zu solchen Trigeminusstörungen Veranlassung geben können, immer vorhanden. In einer gütigen persönlichen Mitteilung hält U t h- h o f f diese Verbindung nicht mehr für sicher, glaubt aber ein besonderes, von der Keratitis e lagophthalmo abweichendes Krankheitsbild feststellen zu müssen. Er vergleicht das Auftreten der Keratitis neuroparalytica mit dem Dekubitus, wie er wahrscheinlich auch aus trophischen Ursachen bei manchen Rückenmarkserkrankungen auftritt. Doch muß erwähnt werden, daß Leber die trophische Natur der Keratitis neuroparalytica leugnet. Eine eigenartige Erscheinung an der Hornhaut ist neuestens von Jacob aus der Augsteinschen Klinik beschrieben, als deren Grund eine Trigeminusentzündung angenommen wird. Während der Beobachtung traten in der ganzen, von Flüssigkeit stets bedeckten Hornhaut eine Fülle von dicht unter und im Epithel gelegenen grauen Punkten auf, die aber ebenso schnell wieder verschwanden, wie sie kamen. Während ihres Vor- handenseins trat auch ein leichtes Hornhautödem auf. Die Hornhäute waren durchaus unempfindlich. Verfasser wollen diese Erscheinung auch bei anderen mit Hornhautunempfindlichkeit einhergehenden Erkrankungen gefunden haben. Es muß sich durch öftere Wiederholung der Beobachtung herausstellen, ob dieses sicher sehr seltene Krankheitsbild charakteristisch für eine Trigeminusentzündung ist. Die Erscheinungen von seiten des sichtbaren Sehnervs sind in vieler Beziehung wichtig für die Erkenntnis von Unfallfolgen in Gehirn und Rückenmark. Es handelt sich dabei um mehr oder Aveniger aus- gedehnte Entartungserscheinungen und Entzündungen. Die reinen Ent- artungserscheinungen werden in erster Linie bedingt durch Schädelbrüche, (^lie durch mehr oder weniger ausgedehnte Zerquetschung oder Anspießung des Sehnervenstammes zwischen orbitalem Ende des Canalis opticus und Uhiasma einschließlich eintreten. (Siehe S. 658.) Eine große Fülle von einschlägiger Kasuistik enthält der dritte Band der Neurologie des Auges von W i 1 b r a n d und Sänger. Die Aufgabe, aus einer vorliegenden Sehnervenentartung auf die Art einer etwaigen Gewalteinwirkung zu schließen, tritt an den Unfallgutachter nicht selten heran, und gebe ich hier abgekürzt als Beispiel des Vorgehens ein Gutachten. Am 3. Juli 1892 kam eine Frau von mittlerem Alter zu mir mit Klagen über langsam eingetretene linkseitige Erblindung. Es fand sich alles normal bis auf Fehlen jeder Lichtreaktion und blau weiße Verfärbung der Sehnerven- scheibe mit scharfem Rand und normalen Gefäßen. Eine Ursache konnte Patientin nicht angeben.