Über das Lehren und Lernen de medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der deutschen Nation : nebst allgemeinen Bemerkungen über Universitäten eine culturhistorische Studie / von Th. Billroth.

  • Billroth, Theodor, 1829-1894.
Date:
1876
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Credit: Über das Lehren und Lernen de medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der deutschen Nation : nebst allgemeinen Bemerkungen über Universitäten eine culturhistorische Studie / von Th. Billroth. Source: Wellcome Collection.

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    welchem sie noch hätten greifen können, nämlich die Jahrgelder und die Promotionstaxen, sowie die Forderungen für juridische und ärztliche Leistungen an’s Publicum zu steigern, war schon früher bei den knappen Mitteln, über welche die Universitäten zu verfügen hatten, so ausgenutzt, dass ersteres schon Viele vom Studiren abhielt, letzteres schon zu manchen Zerwürfnissen mit der Bevölkerung der Universitätsstädte geführt hatte. Die in der zweiten Hälfte des 16. und im 17. Jahrhundert gegründeten Universitäten hatten in der Eegel schon bei ihrer Stiftung einen ganz bestimmten confessionellen Charakter; sie waren durchweg protestantisch oder katholisch; hiervon haben sich Reste bis vor wenigen Jahren auf vielen deutschen Univer¬ sitäten erhalten. In Wien durfte 1546 kein Professor angestellt werden, der nicht vor der theologischen Facültät ein Examen darüber bestanden hatte, dass er ein guter Katholik sei. Dies wurde 1554 dahin abgeschwächt, dass der neu anzustelleude Pro¬ fessor nur zu erklären brauchte, er sei ein guter Katholik. 15o6 setzte es der akatholische (ungarische) Adel durch, dass seine Jugend auch in Wien studiren durfte. Dann begann man Unter¬ schiede zu statuiren zwischen „katholisch“ und „römisch katho¬ lisch“. Einige Jahre später ging die Licenz sogar so weit, dass Protestanten Decane wurden, es wurde sogar ein Protestant Rector. 1551 etablirten sich die Jesuiten in Wien, gründeten Schulen und erhielten das Recht zwei Professuren der theologischen Facültät zu besetzen; sie gewannen nach und nach immer mehr Einfluss. 1574 erhielten sie fünf Lehrkanzeln und 1622 die ganze theo¬ logische und artistische Facültät. Damit hatten sie die ganze Universität in Händen, sie hatten selbst einen Rector, neben welchem der Universitätsrector eine zimlich untergeordnete Rolle spielte. Schon 1581 hatten sie es durchgesetzt, dass von Lehrern und Schülern der Eid auf das katholische Ulaubensbekenntniss abgelegt werden musste. Dass der nicht geistliche Theil der Uni¬ versitäts-Angehörigen auf diese Weise fast ganz bei Seite geschoben wurde und ganz ohne Einfluss auf die Universitäts-Angelegenheiten blieb, wenn er auch zeitweilig von den Dominikanern unterstützt wurde, ist leicht begreiflich, ebenso dass er sich in stetiger, wenn auch ohnmächtiger Opposition zu den Jesuiten befand. Dies sind zugleich die Gründe, weshalb die Naturwissen¬ schaften, Medicin und Jurisprudenz in Wien, obgleich sie nicht direct unter dem Druck der Kirche standen, zu dieser Zeit ganz auf das Niveau eines dürftigen, handwerksmässigen Brodstudiums herabsanken, während sich diese Wissenschaften auf anderen Uni¬ versitäten mächtig zu heben begannen, zumal auf den protestan¬ tischen Universitäten in Norddeutschland, Holland und England.