Volume 7

Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen.

Date:
1880-1884
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Credit: Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen. Source: Wellcome Collection.

    33/328 (page 15)
    Krankengeschichte. Fall 1. Der Kranke, um den es sich handelt, Dr. N., pract. Arzt in M., stammt aus einer gesunden Familie, in der keine erblichen Krankheiten vorkamen, und deren Glieder, ohne besondere Krankheiten durchgemacht zu haben, ausnahmslos ein hohes Alter erreichten. Die Entwicklung des von Geburt an kräftigen und gesunden Kindes war eine ausserordentlich günstige und bis zu seinem 4. Jahre auch von jeder nennenswerthen Krank- heit verschont. In diesem Jahre nun erlitt der Knabe durch einen Fall aus beträchtlicher Höhe wahrscheinlich einen Wirbelbruch, und wenige Monate, nachdem er von dem behandelnden Arzte für geheilt erklärt wurde, eine zweite Verletzung durch einen heftigen Fall auf die Wirbel- säule infolge eines Stosses, den er von einem anderen Knaben erhalten hatte. Von nun an war die Kraft des Kindes gebrochen, es war Jahre lang ans Bett gefesselt, das gesunde Aussehen und die frühere Körperfülle verlor sich. Jede aufrechte Haltung ohne Unterstützung durch Anlehnen an einen Gegenstand, Stehen und Gehen war mühsam, verursachte Schmer- zen in der Lendengegend, Kurzathmigkeit, und wie überhaupt jede körper- liche Anstrengung rasche Ermüdung. Die Folgen der Verletzung der Wirbelsäule äusserten sich alsbald auch als Knickung derselben, aus der sich eine kyphotische Verkrümmung herausbildete. Der Kranke war von dieser Zeit an nie mehr schmerzfrei. Die geringste Erschütte- rung der Wirbelsäule, rasches Niedersitzen, ein Fehltritt, selbst das Lachen verursachte Schmerzen, so dass der Knabe krampfhaft dabei nach einem Gegenstand fasste, um auf denselben sich stützen zu können. Fahren in einem gewöhnlichen Wagen war nur möglich, wenn der Knabe dabei stehen konnte; die durch das Sitzen unmittelbar auf die Wirbelsäule einwirkende Erschütterung und Stösse des Wagens riefen immer solche Schmerzen her- vor, dass er entweder aufstehen oder das Gefährte verlassen musste. Die Reduction des Brustraumes nach Verkrümmung der Wirbelsäule hatte als erste Circulationsstörung Herzpalpitationen und kurzes, keuchendes, blasendes Athmen zur Folge, das namentlich beim Gehen laut hörbar wurde. Weitere Erscheinungen traten vorerst nicht ein. Jede länger dauernde Bewegung war durch die Schmerzhaftigkeit der Wirbel- säule unmöglich und erst langsam sich ausbildende Compensationen ver- schafften einen für diese Zeiten genügenden Ausgleich. Erst vom 1 5. Jahre an waren die Schmerzen der Wirbelsäule vollkommen verschwunden, Gehen, Steigen, Fahren nicht mehr behindert. Erschütterungen der Wirbelsäule