Volume 3

Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen.

Date:: 1880-1884

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Credit: Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen. Source: Wellcome Collection.

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Das Stottern. mung gelangt. Wenn auch die psychische Befangenheit als Wurzel des Uebels angei>ehen werden muss, so kommt doch zugleich eine angeborene Schwäche des in der Medulla oblong, befindlichen Innervationsapparats für die Athmung und Stimme in Betracht, der, in der frühesten Jugend durch einen psychischen Eindruck erschüttert, sich nicht mehr erholt und weiterhin schon durch den blossen Willensreiz zu uncoordinirten Bewegungen veranlasst werden kann. Das Stottern ist daher als eine Psychoneurose aufzufassen. Dieselbe tritt entweder bereits bei den ersten Sprachversuchen des Kindes hervor, oder sie entwickelt sich unter dem Einfluss eines heftigen psychischen Eindruckes im Kindesalter, tritt aber nach dem 10. Lebensjahre nur noch selten auf. Ganz vorherrschend ist das männliche Geschlecht betroffen, so dass sich die Erkrankung des- selben gegenüber dem weiblichen Geschlecht nach den Erfahrungen von Katenkamp wie 10:1 stellt. Die einzige erfolgreiche Behandlung des Stotterns be- steht in einer streng geregelten Uebung bestimmter Muskelgruppen, um dadurch eine geordnete Innervation derselben zu erzielen, und daneben in der Beseitigung der fixen Idee des Unvermögens, welche die Befangenheit bedingt. Nach den drei verschiedenen Bewegungs- gruppen, durch welche die Sprache zu Stande kommt, handelt es sich also um Kegelung der Respirationsbewegungen durch die Mus- keln des Brustkorbes, der Phonationsbewegungen durch die Muskeln des Kehlkopfes und der Articulationsbewegungen durch die Muskeln der Mundhöhle, welche Regelung eben nur durch eine systematisch durchdachte gymnastische Schulung dieser drei Muskelgruppen er- zielt werden kann. Dieser Gedanke wurde zuerst praktisch ausgeführt durch Madame Leigh in New-York im Jahre 1S28, deren Hauptaugenmerk auf die Gym- nastik der Zunge gerichtet war. Malebouche berücksichtigte daneben auch die Bewegungen der Lippen und Arnott fügte die Behandlung der Kehlkopfmuskeln hinzu. Colombat de l'Isere, Gründer des orthopho- nischen Instituts zu Paris, stellte den Rythmus, das taktmässige Athmen obenan und bediente sich dazu des Methonoms, eines kleinen Instruments von Silber und Elfenbein, welches unter die Zunge geschoben und an den Schneidezähnen befestigt wurde um die Zunge fortwährend zurückzudrän- gen und dadurch den Stotternden an das Taktsprechen zu gewöhnen. Die Gymnastique vocale bezweckt Uebungen in dem Aussprechen zuerst derjenigen Worte, welche mit den einfachen Vocalen, dann solchen, die mit den Lippenlauten, und zuletzt solchen, die mit den Zungenlauten an- fangen. Klenke legte besonderen Werth darauf die Harmonie zwischen Psyche und Respirationssystem und die zwischen dem letzteren und den Articulationsorganen dadurch wieder herzustellen, dass die Psyche in ihrer Willensrichtung auf die Respirationsorgane gekräftigt und die Sprachorgane geübt werden gewisse für dieselben schwierige Articulations - und Pho- nationsbewegungen mit Leichtigkeit auszuführen. Dr. K a t e n k a m p war früher Lehrer und eröffnete im Jahre 1845 in Delmenhorst im Gross- 17*