Volume 3

Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen.

Date:
1880-1884
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Credit: Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen. Source: Wellcome Collection.

    183/608 (page 171)
    wortung- dieser Frage ist es nöthig, einen kurzen Rückblick auf die Geschichte des Sehueuschnitts zu werfen. Nach einigen schwachen Versuchen von Thilenius (1789), Sartorius (1806), C. F. Michaelis (1810) und Delpech (1816) durch die Durchschneidung von Sehnen mit offener Wunde sich das Redressement von Deformitäten zu erleichtern, führte Stromeyer die subcutane Tenotomie ein und machte die ersten auf dieselbe be- züglichen Mittheilungen in Rust's Magazin Bd. 39 und 42 in den Jahren 1833 und 1834. Das neue Verfahren wurde jedoch Anfangs ziemlich kühl auf- genommen, bis es durch die Constellation besonderer Umstände auf einmal mit einem Glanz in die operative Chirurgie eingeführt wurde, wie selten eine andere Methode. Ein junger Engländer Namens Little (der später berühmte Orthopäde) litt in Folge von spinaler Kinderparalyse an Equinus - Stellung des einen Fusses mit leichter Beimengung von Varus. Er consultirte die Autoritäten seiner Heimath, aber Alle riethen ihm von der Durchschneidung der Achillessehne, ab, da dieselbe ein gefährliches und in dem Erfolge unsicheres Verfahren sei. Little ging hierauf nach Deutschland und fragte Dieffenbach um Rath und der sagte ihm, er selbst wolle zwar die Operation nicht übernehmen, da er sie bisher noch nie ausge- führt habe, aber er rathe ihm, sich an Dr. Stromeyer in Hannover zu wenden, welcher mehr Erfahrung in diesem Punkt hätte. Little folgte diesem Rath, Hess sich von Stromeyer am 6. Juni 1836 die Achillessehne durchschneiden und kehrte nach einigen Wochen mit dem vollen Fusse auftretend zu Dieffenbach zurück. Durch Dieffenbach's mächtige Unterstützung nahm äie sub- cutane Tenotomie jetzt einen enormen Aufschwung, in allen Cultur- ländern wurde sie zu der beliebtesten Operation des Tages und alle Welt staunte, wie gefahrlos und schnell die subcutane Durchtrennung selbst grosser Muskeln und Sehnen zur Heilung gelangte und wie sehr durch dieselbe das Redressement vieler Deformitäten erleichtert wurde. Es gab keine Entstellung oder Verkrümmung mehr, deren man mit Hülfe der subcutanen Tenotomie nicht in kurzer Zeit Herr zu werden hoffte. So ging es nun auch in Frankreich, wo die Orthopädie damals gerade im Vordergrunde des chirurgischen Interesses stand, und für die subcutane Tenotomie deshalb ein sehr günstiges Feld vorhanden war. Derjenige aber, welcher sich am eifrigsten des subcutanen Sehnenschnitts annahm, war Jules Guerin, der Director eines grossen orthopädischen Instituts in der Umgebung von Paris, welches