Volume 3

Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen.

Date:
1880-1884
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Credit: Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen. Source: Wellcome Collection.

    151/608 (page 139)
    Dorn- und Querfortsätze sämmtliclier Wirbel. Im Laufe des Wachs- thums bilden sich in der Knorpelmasse der Wirbelkörper ein oberer und ein unterer selbstständiger Knoohenkern, welche zur Zeit der Pubertät sich so weit vergrössert haben, dass sie die ganze Breite des Wirbelkörpers einnehmen und von dem mittleren Knochenkern durch epiphj^säre Knorpelscheiben getrennt sind. Der Epistropheus enthält nur eine solche Korpelscheibe, der Atlas keine. Die voll- ständige Verschmelzung dieser getrennten Knochenpunkte vollzieht sich sehr allmählich und ist erst mit dem Abschluss des Längen- wachsthums, also gegen das 23. bis 25. Jahr vollendet. Die schwerste Deformirung erleiden nun bei der Skoliose die Wirbelkörper. Unter dem ungleichen Druck, dem sie ausgesetzt sind, bleibt die der Concavität der Krümmung zugewandte Seite der- selben erheblich im Wachsthum zurück, während sich die entgegen- gesetzte Seite normal entwickelt. Die Folge dieses ungleichen Wachs- thums ist eine keilförmige Gestaltung der Wirbelkörper mit Richtung der Schneide des Keils gegen die Concavität. Am meisten entstellt ist der Körper desjenigen Wirbels, welcher den Höhepunkt der haupt- sächlichsten Krümmung bildet. Von ihm aus nimmt nach oben wie nach unten die Entstellung allmählich ab. Liegt unterhalb der Rückenkrümmung eine secundäre Lendenkrümmung, so zeigt der- jenige Wirbel, welcher den Uebergang zwischen beiden Krümmungen bildet, keine Deformirung. Die tiefer gelegenen Wirbel dagegen zeigen, wenn auch in geringerem Grade, die keilförmige Gestaltung, doch ist entsprechend der Umwendung der Krümmung die Schneide des Keils nach der entgegengesetzten Seite gerichtet. Durch diese ungleichmässige Knochenbildung werden die Wirbelkörper in hohem Grade asymmetrisch gestaltet, aber auch die Bogen mit ihren Fort- sätzen werden in Folge der vollkommen geänderten Zug- und Druck- verhältnisse in ihrer Form stark verändert. Neben dieser Asymmetrie besteht aber noch eine Rotation, welche den Wirbelkörpern eine der Convexität der Krümmung zugewandte Richtung gibt, während die Dornfortsätze der Concavität zugewandt sind. Wollte man den Winkel, um welchen jeder einzelne Wirbelkörper um seine senkrechte Axe torquirt ist, bestimmen, so müsste man diejenige Stelle an seiner vorderen Fläche genau bezeichnen können, welche vor dem Eintritt der Krümmung die Mittellinie war. Diese Bestimmung stösst jedoch wegen der Asymmetrie, die die Körper im Verlauf .der Jahre erlitten haben, auf sehr grosse Schwierigkeiten, ja sie ist mit der erforder- lichen Genauigkeit überhaupt nicht auszuführen. Wenn man z. B. die Längsrichtung des Dornfortsatzes auf den Wirbelkörper überträgt,