Volume 3

Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen.

Date:
1880-1884
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Credit: Handbuch der allgemeinen Therapie / von H. von Ziemssen. Source: Wellcome Collection.

    133/608 (page 121)
    findet der rndimentäre Sclienkelkopf nicht seinen festen Halt an der normalen Stelle des Beckens, sondern steigt nach oben und hinten auf der äusseren Darmbeinfläche in die Höhe. Durch die hierdurch gegebene abnorme Queraxe ist der Patient zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts gezwungen, durch die Thätigkeit seiner Muskeln eine gesteigerte Beckendrehung eintreten zu lassen, und diese führt dann eben wieder die gesteigerte Vorbeugung der Lendenwirbelsäule nach sich. Wegen des starken Hinaufrückens der Oberschenkelköpfe an der äusseren Beckenfläche erscheinen die unteren Exü-emitäten der mit beiderseitiger angeborener Hüftgelenksluxation behafteten Patienten auffallend kurz, an der hinteren äusseren Fläche des Beckens bilden die Spitzen der Trochanteren äusserlich deutlich be- merkbare Vorsprünge, die fast bis zur Höhe der Darmbeimkämme hinaufreichen und im Verein mit der starken Aushöhlung an der hinteren Fläche der Lendenwirbelsäule, dem dadurch wieder be- dingten Hervortreten des Bauches und dem watschelnden Gang, der durch die mangelhafte Festigkeit der Gelenkverbindung zwischen Oberschenkel und Becken bedingt ist, den mit diesem Bildungsfehler behafteten Menschen eine sehr eigenthümliche Erscheinung aufprägt, welche dem geschulten Auge selbst ohne jede weitere Untersuchung sofort die Diagnose ermöglicht. Betrifft die Störung nur das eine Hüftgelenk, und zwar scheint hierbei das weibliche Geschlecht er- heblich häufiger befallen zu sein als das männliche und bei diesem wieder das linke Hüftgelenk häufiger als das rechte, so ist bei dem gewöhnlichen Stand mit geschlossenen Füssen uud Knieen die be- treffende Beckenseite gesenkt und die Lendenwirbelsäule bildet eine mit ihrer Convexität nach vorne sowie der kranken Seite zugeneigte Krümmung. Gleicht man die Senkung der Beckenhälfte dadurch aus, dass man unter den Fuss eine der Verkürzung des Beins ent- sprechende Unterlage legt, so verschwindet die seitliche Biegung der Lendenwirbelsäule, und auch die lordotische Vorwölbung tritt etwas zurück. In Folge dessen sind Patienten mit einseitiger an- geborener Hüftgelenksverrenkung vielfach im Stande, ihr Leiden fast ganz zu verdecken, wenn sie auf der kranken Seite eine hohe Sohle tragen, welche den Ausgleich bewirkt, oder auch nur mit der Spitze des Fusses den Boden berühren, was besonders leicht für Frauen auszuführen ist, deren Kleidung die Anwendung dieses Kunstgriffs nicht erkennen lässt. Wird diese Gewohnheit viele Jahre hindurch constant fortgesetzt, so kann sich in Folge dessen der Fuss in der Equinus-Stellung durch Retraction der Wadenmuskeln fixiren, was aber unter den gegebenen Verhältnissen ganz wünschenswerth ist,