Handbuch der medizinischen Statistik / von Dr. Friedrich Prinzing.

  • Prinzing, Friedrich, 1859-1938.
Date:
1906
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Credit: Handbuch der medizinischen Statistik / von Dr. Friedrich Prinzing. Source: Wellcome Collection.

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    sich noch für die Möglichkeit der Vererbung erworbener Eigenschaften ausgesprochen. Weismann hat die Lehre von der Kontinuität des Keimplasmas aufgestellt, nach welcher in den Keimzellen Plasma zweierlei Art angenommen werden muß: das Keimplasma, das direkt aus dem elter- lichen Keimplasma auf die I{eimzellen des Kindes übergeht, und das Soma, das für die Bildung der Körperzellen bestimmt ist und auf das Keimplasma keinen Einfluß hat. Äußere Einwirkungen auf das Soma können daher nicht übertragen werden, nur Veränderungen des Keim- plasmas selbst. Diese entstehen entweder durch die Variabilität des Keim- plasmas, welche durch die Amphimixis d. h. die Vereinigung zweier Keimplasmen bei der Fortpflanzung erhöht wird'), oder durch äußere Einwirkungen auf das Keimplasma, welche zu Variationen d. h. vererb- baren Veränderungen führen können. Zu diesen äußeren Einwii-kungen zählen auch Einflüsse des Somas auf das Keimplasma (z. B. ungenügende Ernährung). Es nehmen so in gewissem Sinne auch erworbene Eigen- schaften Einfluß auf die Vererbung; doch müssen die dabei entstehenden Veränderungen nicht in Übereinstimmung mit dem pathologischen Zustand des Erzeugers sein, sondern sie können nach beliebiger Seite hin statt- finden. Die Vererbung pathologischer Variationen wird begünstigt, wenn diese keinen besonderen Nachteil für das Fortkommen mit sich bringen; die Bedingungen hierfür sind bei Naturvölkern andere als in Kulturländern,, in welch letzteren manche Alfektionen (z. B. Myopie) weniger nachteilig sind und in denen die entwickelte öffentliche und private Fürsorge auch In- dividuen mit degenerativen Erscheinungen zur Fortpflanzung kommen läßt. Bei einer großen Zahl von Erkrankungen und pathologischen Eigen- schaften kommt die Vererbung in Frage; wir werden die wichtigeren einzeln besprechen. Nach dem bisher über die Vererbung Ausgeführten kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die direkte und echte Vererbung von erworbenen Erkrankungen für gewöhnhch nicht vorkommen kann, sondern daß es sich um Vererbung von Anomalien des Körperbaus und der Konstitution handelt, die die Entstehung der betreff'enden Ki-ankheit begünstigen. Direkte Vererbung liegt z. B. bei der Bluterkrankheit vor, bei der Tuberkulose dagegen können wir nur eine Vererbung der Kon- stitution mit den heute geltenden Gesetzen der Vererbung in Einklang bringen; noch schwieriger ist dies bei der allerdings recht fraglichen Ver- erbung des Karzinoms. Einflüsse des Sornas auf das Keimplasma hat man häufig zu beobachten Gelegenheit; sie sind meist degenerativer Art (Alko- holismus, Schwächezustand bei chronischer Krankheit und ähnliche Dinge bei den Eltern). Die Lehre von der Vererbung der Tuberkulose hat in den letzten Jahren eine reiche Literatur gezeitigt; die Ansichten gehen heute noch so weit auseinander, daß die Vererbung von manchen als das Wichtigste in der Ätiologie der Tuberkulose hingestellt, von anderen aber ganz bestritten wird. Die Wahrheit liegt auch hier, wie so oft, in der Mitte. Eine direkte Ver- erbung der Tuberkulose kann es, wie eben ausgeführt wurde, nicht geben, aber eine Vererbung der Disposition müssen wir sicher annehmen; die bedeutendsten Kliniker der Gegenwart haben sich hierfür ausgesprochen. Daß es Familien gibt, in denen die Tuberkulose heimisch ist, ist bekannt; 1) Ziegler nimmt dabei an, daß bei der Kopulation von nicht zusammenpassenden Eiern und Spermatozoon pathologische Varietäten entstehen (Mißbildungen, Individuen mit mangelhafter Konstitution).