Klinische Erfahrungen über die Functionen des Kleinhirns / von Ludwig Bruns.

Bruns, Ludwig, 1858-1916.

Date:: [1896]

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Credit: Klinische Erfahrungen über die Functionen des Kleinhirns / von Ludwig Bruns. Source: Wellcome Collection.

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Küpermuskulalur vollständig fehlen. Fraglich ist aber, ob, wenn auch nicht ausgesprochene Lähmungen, so doch Paresen, Schwächezustände der Muskulatur durch reine Kleinhirn- heerde hervorgerufen werden können und dann in bestimmten Beziehungen zum Sitz der Kleinhirnaffection stehen. Dass dies möglich ist, beweisen einige von Russell1) citirte Beobachtungen. Hier fanden sich bei einseitiger Läsion des Kleinhirns auf der Seite des Heerdes — also ungekreuzt — Lähmungen der Extremitäten, während die Augen nach der anderen Seite abwichen. Diese Deviation der Augen war durch eine Läsion des Pons auf der Seite des Kleinhirntumors be- dingt; die Extremitälenlähmung konnte aber nicht von der- selben Läsion abhängen, da sie sonst hätte gekreuzt sein müssen. Es bleibt also zu ihrer Erklärung nur das Kleinhirn über — in solchen Fällen ist natürlich auch die Diagnose, in welcher Hälfte des Kleinhirns die Erkrankung sitzt, zu stellen. Ferner haben Risien Russell und H. Jackson’7) schon vor Jahren und neuerdings ganz bestimmt behauptet, dass bei Kleinhirnerkrankungen eine deutliche Parese der Rumpf- muskulatur eintrele und sie haben die alte Theorie von Schiff und Niemeyer wieder hervorgeholt, dass die so- genannte cerebellare Ataxie eine Folge dieser Rumpfmuskel- lähmung sei. Auch mir ist es sehr wahrscheinlich, dass solche Beziehungen zwischen dieser Ataxie und einer Rumpfmuskel- parese bestehen — aber diese Frage bedarf noch sehr der weiteren klinischen Erforschung. Soviel ist jedenfalls sicher, dass aus- gesprochene Lähmungen, vor Allem solche mit Contracturen, wenn sie bei Kleinhirnaffectionen Vorkommen, stets die Folge eines Druckes auf die Pyramidenbahnen im Hirnstamme sind. Meist ist diese Lähmung eine gekreuzte mit der Kleinhirn- affection, weil der Druck auf der gleichnamigen Ponsseite oberhalb der Pyramidenkreuzung einwirkt; gleichseitige Ex- tremitätenlähmungen können entstehen, wenn der Tumor die gekreuzte Ponshälfte gegen den Knochen andrängt, oder aber, wenn er so weit nach unten reicht, dass er die gleichnamige Pyramide unterhalb der Kreuzung erreicht. Da alle diese Umstände in vivo fast nie zu beurtheilen sind, so erlaubt die Kürperlähmung allein keinen sicheren Rückschluss auf die Seite der Kleinhirnerkrankung. Besonders deutlich wird der pontine Ursprung der Körperlähmung, wenn, was bei Kleinhirntumoren nicht allzu selten, eine allernirende Hemi- plegie eintritt, wenn also auf Seite der cerebellaren Erkrankung Hirnnervenlähmungen oder eventuell eine Blicklähmung besteht, ls) Russell, The value of experimental evidence in the diagnosis of diseases of the cerebellum. British medic. Journal. 1895, S. 1079 ’7) Jackson and Russell, A clinical study of a cyst of the cerebellum etc. Ibidem, 1894, S. 393.