Die klinisch-diagnostischen Gesichtspunkte der Psychopathologie / von K. Kahlbaum.

  • Kahlbaum, Karl Ludwig, 1828-1899.
Date:
[1878?]
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Credit: Die klinisch-diagnostischen Gesichtspunkte der Psychopathologie / von K. Kahlbaum. Source: Wellcome Collection.

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    Es verdient liier nocli erwähnt zu werden, dass in diesen auf der Grundlage eines biogenetischen Processes entstandenen Fällen von Seelenkrankheiten vorzugsweise häufig hereditäre Momente beobachtet werden und deckt sich diese Gruppe der Seelenkrankheiten daher ziem- lich genau mit der Gruppe, welche von neueren französischen Psychia- teren als hereditäres Irresein10) bezeichnet wird. Es darf aber nicht über- sehen werden, dass hereditäre Momente auch bei den vorhin betrachteten Gruppen Vorkommen können. Dieses eine ätiologische Moment bedingt aber noch keine Diagnose, sondern erst der gesammte klinische Charakter d. h. der allseitige Symptomenzustand und der gesammte Verlauf. Sowohl in dieser letzten Gruppe von Geisteskrankheitsfällen wie in der vorhin charakterisirten haben wir im eigentlichen Sinne secundäre Seelenstörungen, d. h. Fälle, in welchen die gesammte Seelenstörung (nicht bloss ein Stadium derselben), das zweite oder nachfolgende Glied nach einer andersartigen Störung oder nach einem anders- artigen Processe darstellt. In der vorigen Gruppe waren die Seelen- störungen secundär gegenüber einzelnen somatisch-pathologischen Processen, in der letzten Gruppe sind sie secundär gegenüber allgemeinen anthropologischen oder biologischen Processen oder Entwicke- lungs-Vorgängen des Gesammtorganismus. Wir können diesen Unterschied als pathogenetisch secundär und anthropogenetisch oder biogenetisch secundär bezeichnen. ftecapituliren wir die somit gewonnenen Gesichtspunkte, so haben wir folgende Hauptsätze: 1. Die Geisteskrankheiten zeigen häufig einen w echsein den Ver- lauf und die verschiedenen Formen, welche in diesem Wechsel zur Beob- achtung kommen, sind nicht Formen von psychischen Krankheits- arten sondern Benennungen von psychischen Symptomencomplexen oder psychischen Gesammtzuständen. Solcher Gesammtzustände giebt es besonders vier häufig vorkommende und charakteristisch ausgeprägte: a. Melancholie (Schwermuth). b. Manie (Tollheit). c. Perturbation (Verwirrtheit). d. Demenz (Blödsinn). 2. Es giebt auch Krankheitsfälle mit constantem Verlauf und gleichbleibendem Symptomencharakter und bei diesen continuirlichen Krankheiten ist die psychische Anomalie von geringerem Umfange 16) Vergl. Legrand du Saulle, die erbliche Geistesstörung. A. d. Fran- zos. von Dr. Stark. Stuttg. 1874).