Allgemeine Therapie der Hautkrankheiten / von P.G. Unna.

  • Unna, Paul Gerson, 1850-1929
Date:
1899
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Credit: Allgemeine Therapie der Hautkrankheiten / von P.G. Unna. Source: Wellcome Collection.

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    edelsten und interessantesten Functionen und Organe der Haut sind, welche hiebei in Anspruch genommen werden. Es ist nicht die ihr eigentümliche Sinnesfunction der Haut, es sind nicht die Hautnerven und Nervenendapparate, die uns zu unseren hauptsächlichsten therapeu- tischen Eingriffen Handhaben bieten; die Therapie der meisten und gewöhnlichsten Dermatosen ist dieselbe an gesunden wie an gelähmten und gefühllosen Gliedern. Es ist nicht der interessante Reflexvorgang, durch welchen Hautreize den Gesammtstoffwechsel zu beeinflussen ver- mögen; nur in den seltensten Fällen werden wir von demselben prak- tisch Gebrauch machen können. Es ist vielmehr ganz wesentlich die respiratorische Function der Haut, also eine niedere Function, in welcher die Thätigkeit der Haut im Notfälle auch durch die ver- mehrte Thätigkeit von Lunge und Niere zu ersetzen ist, welche zu den bedeutendsten therapeutischen Eingriffen Gelegenheit gibt und auf welche sich die Wirksamkeit der verschiedenen Vehikel in den beson- deren Fällen gründet. Unsere Therapie, will sie die hartnäckigen, chronischen Dermatosen rasch und erfolgreich bekämpfen, muss mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit der allgemeinen Decke zu Leibe gehen; für diese Therapie ist sie nicht das bewundernswerthe compli- cirte Organ der verschiedensten, fein abgestuften Empfindungsqualitäten, sondern eine derbe, zähe und ihre Krankheitskeime ebenfalls mit Zähig- keit festhaltende Decke, die nur auf starke, künstlich herbeigeführte stoffliche Veränderungen mit einem wohlthätigen Heilungsprocess ant- wortet. Es erklärt sich dieser die Therapie vergröbernde Umstand ein- fach durch die Thatsache, dass die erste und wichtigste Function der Haut der Schutz ist, welchen sie dem übrigen Körper gegen die Aussenwelt zu verleihen hat. Diese Function, welcher zu Liebe das Epithelprotoplasma sich in die äusserst elastische, resistente und schwer angreifbare Hornsubstanz verwandelt hat, bietet auch den von aussen kommenden Eingriffen der Therapie eigenthiimliche Hindernisse. Es ist daher nicht zu verwundern, dass der grösste und complicirteste Theil unserer therapeutischen Indicationen sich mit der vielseitigen Beein- flussung dieses äusseren Hindernisses beschäftigt. Die Hornschicht muss einen Theil ihrer Schutzkraft aufgeben, wenn sie in ein geeignetes Feld für unsere Medicamente verwandelt werden soll. Denn Sie ist es vor allem, welche den ersten Angriff unserer Therapie aufzuhalten hat. Es wird häufig genug vergessen, dass, wenn wir „die Haut“ behandeln, wir zunächst weiter nichts thun als die Hornschicht an greifen und sie zur Aufnahme unserer Heilmittel zwingen. 'T' Es ist hier der Ort, ehe wir auf diese Beeinflussungsmögliclil^eit im positiven Sinne eingehen, einer weitverbreiteten Illusion zu gedenken, welche über vielen dermatotherapeutischen Massnahmen schwebt. Es ist noch nicht sehr lange her, dass die wissenschaftliche Balneotherapie die frühere Annahme der Badeärzte definitiv zurückgewiesen hat, als würden die einzelnen mineralischen Bestandteile des Badewassers duicli die unverletzte Haut in den Organismus aufgenommen; die ►Schufzki aft der Haut sollte nach jener Ansicht gleichsam zu Gunsten der natürlichen Heilquellen eine zweckmässige Ausnahme erleiden. Man sali die Erfolge der Bäder und lebte in der Illusion: die Haut müsse iigendwie den Durchgang der specifischen Heilkörper zulassen. Dieses