Pathologische Physiologie : ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte / von Ludolf Krehl.

  • Krehl, Ludolf, 1861-1937.
Date:
1904
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Credit: Pathologische Physiologie : ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte / von Ludolf Krehl. Source: Wellcome Collection.

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    Parästhesien ausgehen. Ziehen1) berichtet, dass zuweilen bei Er- weichungsherden innerhalb der Fühlsphäre in den zugehörigen Extremitäten solche Empfindungen auftreten, solange überhaupt noch irgend welche Leitung vorhanden ist. Bei Erkrankung der Leitungsbahnen gehören die Parästhesien zu den gewöhnlichen Symptomen. Man wird sie wohl als Reizer¬ scheinungen der den Drucksinn vermittelnden Nervenfasern ansehen müssen. Auch Reizungserscheinungen von seiten der Temperatur¬ nerven kommen zuweilen vor und erzeugen das Gefühl von Brennen oder von Kälte, indessen giebt es hier keinen scharfen Unterschied mehr gegen die Empfindung des Schmerzes. Wir wissen, das inten¬ sive Wärme- und Kälteeinwirkungen ihn erzeugen, und die genannten Reizerscheinungen der Temperaturempfindung haben fast immer schon einen schmerzhaften Beigeschmack. Wie entsteht nun die Empfindung des Schmerzes selbst? Die Ansichten darüber sind ja geteilt, und wir stellen uns auf die Seite derer, welche gesonderte Endapparate und Nervenfasern für die Er¬ regung dieser Empfindung annehmen. Man wird also sagen müssen: Schmerz ist die Folge einer Reizung der Endigungen oder des Verlaufs der Schmerzfasern in der Haut und in den Nerven bis zu ihrem Eintritt in das Mark. Da kommen die verschiedenartigsten Ursachen in Betracht. Zunächst schon an der Haut selbst: wie bekannt, ver¬ mögen z. B. starke Druckreize dadurch, dass sie die Epidermis deformieren, auch die Schmerzpunkte zu erregen. An den Nerven¬ fasern selbst wirken Entzündung und Degeneration, Vergiftungszu¬ stände der mannigfachsten Art (Malaria, Alkohol, Arsenik) — letz¬ tere wesentlich durch Erzeugung von Entartungen —, weiter aber noch Störungen ganz unbekannter Natur (die sogenannte neuralgische Veränderung des Nerven). Unklar ist vorerst noch, wie sich die Schmerzfasern nach ihrem Ein¬ tritt in das Mark und während des Verlaufs zur Hirnrinde verhalten. Unzweifelhaft lehrt eine grosse Zahl von Erfahrungen, dass die meisten Krankheitsherde des verschiedensten Sitzes und der verschiedensten Art innerhalb der Zentralorgane entweder nur relativ unbedeutende Schmerzen machen oder sogar ganz ohne solche verlaufen können. Allerdings fehlen sie kaum je völlig auch in Fällen, bei denen periphere Läsionen ausge¬ schlossen oder wenigstens nach den gegenwärtigen Vorstellungen nicht be¬ kannt sind; das ist nicht verwunderlich, denn es werden häufig sensible (Wurzel-)Fasern vor ihrem Eintritt in die graue Substanz mit betroffen sein. Indessen bleiben die Schmerzen meist geringfügig im Vergleich zu den furcht- 1) Ziehen, Ergebnisse u. s. w. S. G04.