Gehirn und seele : Vortrag gehalten bei der 66, versammlung deutscher naturforscher und ärzte in Wien am 26. september 1894 / von August Forel.

  • Forel, Auguste, 1848-1931.
Date:
1894
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Credit: Gehirn und seele : Vortrag gehalten bei der 66, versammlung deutscher naturforscher und ärzte in Wien am 26. september 1894 / von August Forel. Source: Wellcome Collection.

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    Atomes ^) keine complicirten, associirten Bewusstseinsinhalte besitzeE, wie die Seele eines grossen Gehirnes mit seinen unzählbaren Neuronen. Da wir nun Stoff, Kraft und Bewusstsein nicht für verschiedene Dinge, sondern für Abstractionen aus den Erscheinungen des Dinges an sich halten, wird bei dieser Anschauung der ewige dualistische Streit zwischen ^) Es ist mir entgegnet worden, das Bewusstsein könne eine einer com- plicirten Thätigkeit entnommene Abstraction sein tind brauche daher ebenso- wenig als z. B, der Schluckreflex in der Zelle oder gar im Atom enthalten zu sein. Darauf ist z« erwidern, dass der Schluckreflex eine partielle, loca- lisirte und complexe Erscheinung ist, die bei der Analyse sofort in Compo- nenten zerfällt: Muskelthätigkeit, Neurokymthätigkeit etc., in einer speciellen localen Anwendung. Vom Schluckreflex kennen wir die Körpertheile (Stoff) und die Kräfte, die dabei betheiligt sind, und ebenso das Bewusstsein, das Avir davon haben. Es ist daher kein Urbegriff, sondern nur ein Complex von partiellen, secundären Begriffen. Ganz anders ist es mit dem nicht mehr ana- lysirbaren Begriff des Bewusstseins, das an der Basis unserer ganzen Erkennt- niss steht. Da es im Ich die subjectiv erkennende Seite kat 'exochen darstellt, ist es klar, dass wir auf sein Vorhandensein bei Dingen ausser uns nur per analQgiam und durch mehr oder weniger wahrscheinliche Inductionen schliessen können. Doch spricht Alles dafür und nichts dagegen, dass es ein Urbegriff und eine Grunderscheinung ist, die freilich bei einfachen Molekülen entsprechend rudimentär sein muss. Potentiell liegt übrigens der Schluckreflex im Menschenei und in der phy- logenetischen Ahnenreihe des Menschen und der meisten Thiere, wohl nicht mehr dagegen in einer Pflanzenzelle oder in einer anders differenzirten Zelle, z. B. in einer Leberzelle. Man hat oft die Empfindung an Stelle des Bewusstseins als Elementar- erscheinuug bezeichnen wollen; doch bleibt nichts mehr vom Begriff der Empfin- dung übrig, als die sie verursachende Thätigkeit oder Kraft', wenn man den allgemeinen Begriff des Bewusstseins davon ausmerzt. Wenn man von einer Amoebe sagt, dass sie empfindet, verleiht man ihr Bewusstsein, da es keine unbewusste Empfindung giebt (d. h. nur schlechtweg, in Bezug auf unser Ober- bewusstsein). Eine Emjjfindung ist der elementarste uns bekannte Bewusst- seinsinhalt. Die Bewegung ist nur eine Form der Kraft und lässt sich so- mit unter diesen allgemeinen Begriff stellen. Das Bewusstsein dagegen lässt sich unter keinen allgemeineren Begriff unterbringen. Selbst die Eelations- begriffe Eaum und Zeit lassen sich viel eher dem allgemeineren Verhältniss- begriff „Unterschied unterordnen (Spencer). Ich kann übrigens bei dieser Gelegenheit nicht genug vor der Humani- sirung der Begriffe Zellenseele, Zellenbewusstsein, Atomseele, Atombewusst- sein warnen. Es kann sich nur um Potenzen handeln, die wir aus logischen Gründen postuliren, die aber im Entferntesten nicht die mindeste actuelle Aehnlichkeit mit unserer Menschenseele haben können. Wir können uns nicht einmal immer recht in die Seele unserer Mitmenschen richtig hineindenken; wir machen schon in der Pädagogie die gröbsten Fehler bei der Beurtheilung der Kinderseele, für welche der Erwachsene schon viel zu abstract ist. Die Seele höherer Säugethiere ist uns äusserst schwer und nur sehr partiell zu- gänglich. Eine Insectenseele können wir bereits nur vermuthungsweise und fragmentarisch construiren. Alles weiter abwärts Liegende entzieht sich immer mehr der inductiven Forschung.