Lehrbuch der allgemeinen Chirurgie : nach dem heutigen Standpunkte der Wissenschaft.

  • Fischer, Hermann Eberhard, 1831-1919.
Date:
1887
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Credit: Lehrbuch der allgemeinen Chirurgie : nach dem heutigen Standpunkte der Wissenschaft. Source: Wellcome Collection.

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    Von einer wirksamen Antisepsis hängt das Heil der Wunde und des Verwundeten ab. Je kürzere Zeit nach der Verletzung sie beginnt, um so voller wird sich ihre Wirkung entfalten können. Volk mann und König statuiren als äusserste Grenze einen Zeitraum von 12 Stun- den, Köhler dehnt dieselbe nach den Erfahrungen in der Charite auf 12—24 Stunden nach der Verletzung aus. Je heisser der Tag ist, an welchem die Verwundung stattfand, je schmutziger die Wunde angelegt war, um so schneller pflegen die Zersetzungen in derselben zu beginnen. Daher kann man nur von einer primären Antisepsis reden, wenn die antiseptische Behandlung 8 Stunden nach der Verletzung eintritt. Mit dieser Zeit ist die sichere Aussicht auf einen ungestörten Wundverlauf verschwunden. Die secundäre Antisepsis, bei welcher eine geraume Zeit seit der Verletzung verstrichen ist oder eine andere Behandlung, Unter- suchung, operative Eingriffe ohne antiseptische Cautelen bereits statt- gefunden haben, hat viel schlechtere Chancen und setzt eine grosse Uebung in der Wundpflege voraus, wenn sie noch zu guten Resultaten führen soll. 5. Das Alter der Patienten ist bei der Stellung der Prognose einer Verwundung sehr zu berücksichtigen. In der Jugend gehen die Regenerationsvorgänge weit schneller und sicherer von Statten als im Alter, wo Störungen im Circulationsapparate (Atherose der Gefässe, Fettherz) eine Neigung zur Gangrän bedingen und jedenfalls das Re- productionsvermögen bedeutend herabsetzen. Die ruhige Lage im Bette, weichte eine Verwundung oft erfordert, kann bei alten Leuten Lungen- hypostase, Gastricismen und Decubitus erzeugen. 6. Vorangegangene Strapazen und Entbehrungen, die soge- nannte Fatigatio, welche sich in Theilnahmlosigkeit. Schwäche der Glieder, Appetitmangel, Herzklopfen documentirt, wirkt sein- ungünstig auf den Wundverlauf ein, wie die Feldzüge und auch die Civilpraxis lehren. Solche Patienten erliegen den geringsten operativen Eingrifien und vertragen Blutverluste nicht. Sie verfallen auch leicht dem Shock. 7. Die Individualität der Verwundeten spielt eine wesent- liche Rolle bei der Wundheilung. Wir werden die Gefalu-en der Bluter- krankheit noch kennen lernen, die sich anfänglich oft vor den Augen des Chirurgen versteckt. Es steht fest, dass bei bestimmten Individuen die schwersten Wunden gut heilen, bei anderen die leichtesten sehr schwer (schlechte und gute Heilhaut im Volksmunde). Der Einfluss der Xatiouahtät ist im Allgemeinen nicht hoch anzuschlagen, obwohl die Wunden beim ruhigen Nordländer meist besser verlaufen, als bei den erregten Südländern. Tiefe Gemüthsstörungen und Heimweh zeigen wohl nur dadurch Einfluss auf den Wundverlauf, dass sie den Ernäh- rungszustand der Verwundeten und damit das Reproductionsvermögen herabsetzen. 8. Die Prognose einer Verwundung wird um so ungünstiger, je mehr und je schwerere andere Verletzungen zu gleicher Zeit vor- handen sind. Von den Comphcationen der Wunden durch gleichzeitige Läsionen der Knochen und Gelenke werden wir später ausführKcher handeln. Erfrierungen kommen bei Verwundeten, die längere Zeit im Winter auf fi-eiem Felde gelegen haben, ziemlich häufig vor. Sie bringen noch ein gefahrvolles Moment zur Wunde hinzu, und die Ein- wirkungen des Frostes auf die Wunde rufen nicht selten den Brand der